Heidesheimer am (und auch alle wieder im) Zug in Wien (mit GM-Norm !)

 

Das Turnier, das mit über 800 Teilnehmern als das größte Schachturnier Westeuropas gilt, wurde in dem prunkvollen Festsaal des Wiener Rathauses ausgetragen. Exemplarisch sei nur der rote Teppich genannt, über den wir täglich vor der Runde ca. 100 Stufen hinauf bis zum Spielsaal emporstiegen.

Neben den vier Turniergruppen boten die Veranstalter auch noch ein weiteres Schmankerl an: Zeitgleich zu den regulären Runden fand ein Vergleichskampf zwischen dem besten Österreicher, GM Markus Ragger und dem aserbaidschanischen Weltklassespieler GM Shakriyar Mamedyarov statt. Beachtlich war im A-Open noch die Teilnahme von GM Eltaj Safarli, der erst zur dritten Runde ins Turnier einstieg, danach aber seine Klasse demonstrierte und die verbleibenden sieben Partien souverän gewann.

Neben der schachlichen Herausforderungen nutzten die Heidesheimer auch die Chance, die kulturelle Vielfalt der Stadt Wien ausgiebig wahrzunehmen. Bereits im Vorfeld hatten wir uns für eine teambildende und alle Sinne fordernde Attraktion entschieden: Wir nahmen am „Live-Escape“ teil: In dem vorgegebenen Spielszenario möchte ein irrer Herrscher den dritten Weltkrieg anzetteln. Mutige Heidesheimer Agenten wurden beauftragt, in seinen Wiener Bunker einzubrechen, um die bevorstehende Explosion einer Atombombe zu verhindern. Dazu mussten wir uns Zugang zu diversen Schränken und Geheimverstecken verschaffen, indem wir zahlreiche Rätsel entschlüsselten. Für den nächsten Wien-Aufenthalt ist ein erneuter Besuch des „Live-Escapes“ unbedingt einzuplanen!

Auch andere kulturelle Aspekte kamen nicht zu kurz. Die Heidesheimer statteten der Wiener Therme einen Besuch ab. Ebenso stießen die Wiener Kaffeehäuser mit ihren leckeren Spezialitäten auf große Begeisterung der Heidesheimer. Empfehlen möchten wir in diesem Zusammenhang insbesondere das Hofbräuhaus am Rathausplatz, das Bermuda-Bräu am Schwedenplatz und auch das „geniale Lokal“, das Café Einstein.  Einige Heidesheimer gingen kurzfristig im „Wiener Bermudadreieck“ verschollen, bis sie in den frühen Morgenstunden wieder auftauchten und ihre Partien am Nachmittag souverän gewannen!

Die reichlich zugenommenen Kalorien wurden eisern in der „Muckibude“ des Hotels abtrainiert, so kreuzten einige Heidesheimer hier sogar regelmäßig vor dem Frühstück auf!

Aber auch an Museen hatte Wien einiges zu bieten: So besuchten einige Heidesheimer das Naturhistorische Museum und staunten über die Vielfalt der ausgestellten Exponate. Auch im Kunstmuseum, im Schloss Schönbrunn und im Schloss Belvedere wurden viele Stunden zugebracht.

Abends saßen die Heidesheimer oft in gemütlicher Runde in der Hotellobby beisammen, um beispielsweise die spannendsten Partien zu analysieren oder auch um einige „Black Stories“ zu lösen. Dabei befanden sie sich häufig in Gesellschaft von einem Schachfreund aus Kuwait, der sie mit einer äußerst komplizierten „Matt in zehn Zügen“-Aufgabe lange beschäftigte.

Nun zum eigentlichen Turnierverlauf und insbesondere einigen Highlights aus Heidesheimer Sicht:

Jan erzielte einen beachtlichen Sieg gegen das Budapester Gambit gegen einen IM mit 2450 Elo! Auch in den weiteren Partien konnte er seine Gegner durch taktische Fertigkeiten und gekonntes Druckspiel seine Gegner oftmals in die Bredouille bringen.

Elmar musste gleich zweimal im Turnier Endspiele mit Läufer und Springer spielen: In der ersten Partie verpasste er leider in Zeitnot einen studienartigen Gewinnweg,  da die gegnerischen Freibauern zu schnell durchzulaufen drohten. Schließlich endete die Partie im Remis. In der zweiten Partie mit Läufer und Springer ließ Elmar diesmal seinem holländischen Gegner keine Chance und setzte ihn kurzzügig Matt. Außerdem war seine Gegnerschaft äußerst spielstark, so musste er sich beispielsweise mit dem erst 16-jährigen Francesco Rambaldi messen, der bereits eine Elozahl von über 2500 vorweisen kann und das Turnier schließlich auch verdient gewann.

Andreas konnte sich durch äußerst solides Spiel gegen renommierte IM- und GM-Gegnerschaft gut behaupten und trotzte unter anderem dem österreichischen Rekordmeister ein Remis in einer leicht besseren Stellung ab. Gegen einen weiteren IM bewies er Übersicht in einem komplizierten Endspiel, konnte mehrere Fallen des Internationalen Meisters umschiffen und holte auch hier ein verdientes Remis.

Dirk konnte einmal mehr seine kreative und ideenreiche Ader auf dem Schachbrett ausleben und beeindruckte auch seine Mannschaftskollegen in der anschließenden Analyse immer wieder mit erstaunlichen Manövern und Ideen. Als diese oft glaubten, Dirks Angriffe wären abgeschlagen, demonstrierte er uns immer wieder aufs Neue komplizierte taktische Schläge, mit denen er viele seiner Gegner niederstrecken konnte.

Johannes fing trotz zäher Gegnerschaft das Turnier mit 4 aus 4 recht solide an, aber  dann folgten in Runde 5 und 6 erst ein Remis und dann eine etwas unglückliche Niederlage. Anschließend erfolgte ein taktisch sehr umkämpfter Sieg in Runde 7 und Johannes kam damit auf die Erfolgsspur zurück. In Runde 8 musste er sich einer sehr guten gegnerischen Vorbereitung erwehren, stand zwischenzeitlich auf Verlust, kämpfte sich aber wieder zurück und nahm bei nur noch sehr knapper Zeit das Remisangebot seines Gegners an. Mit dem Rückenwind des gesteckten und bereits erfüllten Ziels einer IM-Norm ging Johannes motiviert in die letzte Runde, bereits gegen den 4. GM im Turnier. In einer angespannten Partie ließ sich der Gegner auf einen offenen Schlagabtausch ein und so konnte Johannes in der Zeitnotphase die gewinnbringende Kombination ansetzen. Damit sicherte er sich neben dem 7. Platz auch seine erste GM-Norm (Glückwunsch dazu nochmal von allen!).

Somit ging ein tolles Turnier zu Ende- oder etwa doch noch nicht ganz?!: So hatten nämlich zwei unternehmungslustige Heidesheimer offenbar beschlossen (wer das genau war, wissen nur die Beteiligten; neben Elmar waren nämlich noch zwei von ihnen auf dem Prater (Wiener Jahrmarkt). Sie wollten das Turnier mit Sixpack (nicht die aus dem Fitnessstudio) und dem Kauf von Souvenirs bequem ausklingen lassen. Elmar klinkte sich rechtzeitig aus der gediegenen Bierrunde aus und schlenderte gemütlich in Richtung Wiener Hauptbahnhof, während die beiden Feiergenossen offensichtlich die Uhr aus den Augen verloren (getreu ihrer Parole: „Wir kommen pünktlich, das reicht auch“). Um 21:33 (8 Minuten vor Abfahrt des Zuges) kam dann der verzweifelte Hilferuf: „Wir sitzen in der U1 in Richtung Hauptbahnhof. Wo müssen wir denn hin? Könnt ihr uns da irgendwo abholen?“ Doch die nüchterne Antwort der restlichen Heidesheimer Gruppe lautete nur: „Ist alles gut ausgeschildert, ihr schafft das schon. Ihr müsst einfach nach oben, nur der Beschilderung folgen.“ Um es vorwegzunehmen: Der Zug fuhr pünktlich ab. Elmar schrieb noch eine SMS: „Seid ihr im Zug?“

Die Erleichterung war dann groß, als plötzlich zwei bekannte Gesichter an dem schon bezugsfertigen Abteil vorbeizogen. Wer das gewesen sein könnte? Nun, ratet mit und löst die „Black Story“.:)

Insgesamt können wir das Turnier in Wien wirklich sehr weiterempfehlen: Der Turnierrhythmus mit nur einer Runde am Tag erlaubt es, noch viel von der Stadt Wien zu sehen und in einer der zahlreichen gemütlichen Parkanlagen Wiens neben dem Schachspielen noch ein wenig zu entspannen.

Hier noch die Einzelergebnisse:

Johannes: 7 Punkte, 7. Platz, 4 aus 6 gegen 4 GMs und 2 IMs, Performance > 2600 und GM-Norm!

Elmar: 5,5 Punkte; 84. Platz, Performance 2329

Andreas: 5 Punkte, 132. Platz, Performance 2301 und Remis gegen Schachallrounder IM Zeller und    Österreichs Serienstaatsmeister GM Stanec

Dirk: 4,5 Punkte, 222. Platz

Jan: 3,5 Punkte, 338. Platz, mit sauberem Sieg gegen IM (2450)

 

Heidesheimer am (und auch alle wieder im) Zug in Wien (mit GM-Norm !)

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